Fechtgeschichte

Einleitung

Die Ahnherrn unserer abendländischen Kultur, die Griechen beschränkten sich auf den Faust- und Ringkampf. Doch schon die Römer, die ihre Sitten und Bräuche zum Teil übernahmen, kannten das Stoßfechten und ein mit Rappieren schulmäßig gelehrtes Kämpfen mit Schwertern auf Hieb und Stoß. In den Gladiatorschulen unterrichteten "armaturae doctores" nicht nur Fechten, sondern sie überwachten auch das sportliche Leben der Gladiatoren.

Die Zweikämpfe der Ritter im Mittelalter auf dem Streitross mit Lanze, Schild und Schwert wurden zwar nach bestimmten Regeln abgehalten - es war jedoch immer ein Kampf auf Leben und Tod. Die Beherrschung des Schwertes war für sie notwendig und wurde daher auch kampfmäßig geschult.

Mit de Wandlung vom stark gepanzerten Ritterheer zur gänzlich ungepanzerten, leicht bewaffneten und äußerst beweglichen Söldnertruppe, vollzog sich auch der Wandel in der Beherrschung und Erlernung der Schutzwaffen, indem man von schweren zu leichteren überging.

Die Epoche der bizarren Garden

Durch das Weglassen der Panzerung wurde eine Verletzlichkeit in Kauf genommen, die man durch starre Ausgangspositionen auszugleichen suchte. Diese Ausgangsstellungen oder Garden, die am Beginn des Kampfes eingenommen wurden, waren jedoch nicht in der Lage den Körper mit der Trutzwaffe gänzlich zu decken und so bediente man sich noch eines kleinen Schildes (die Garden waren mitunter sehr fantasievoll benannt wie Ochs, Pflug oder Olber).

Die frontal gegenüberstehenden Fechter fingen mit dem Schild die angreifende Klinge ab und gingen mit der eigenen Waffe offensiv vor. Die Angriffe waren meist gegen Hals, Brust und Oberkörper gerichtet und so wurde der Schild meistens in Schulterhöhe gehalten. Damit legte man den Grundstein zu unserer klassischen Fechtstellung.

Später wurde der Schild weggelassen und durch einen Dolch ersetzt, der für kurze Zeit einem Mantel wich (Mantel- und Degenfechten), um bald wieder zu verschwinden. In Deutschland ist als Antwort auf die beiden rivalisierenden romanischen Schulen Frankreichs und Italiens zwischen 1400 und 1700 eine eigenständige Entwicklung des Fechtens zu erkennen.

Das Zeitalter der Fechterzünfte (1400 - 1700)

Bereits am 10. August 1487 gewährte Friedrich III einer Fechtergemeinschaft, den "Meistern des langen Schwertes", die nach Vorbild der handwerklichen Zünfte organisiert war, besondere Schutzrechte.

In Frankfurt am Main, dem Sitz der bekanntesten Fechterzunft, der "Bruderschaft von St. Markus vom Löwenberge", später nur mehr kurz Marxbrüder genannt, wurden alljährlich zur Messezeit die strengen Meisterprüfungen abgehalten, die den Absolventen berechtigten, als approbierter Fechtmeister, nach dreijähriger Wanderzeit, tätig zu werden.

Einige Mitglieder dieser Bruderschaft bildeten um 1570 in Prag eine eigene Gruppe, die sich Freifechter nannte. Diese Freifechter hielten am St. Veitstag ihre Meisterprüfungen ab und daher kommt der Name Veiterfechter und daraus bildete sich der volkstümliche Name Federfechter.

Zwischen diesen beiden Fechterzünften bildete sich eine sportliche Rivalität aus, die das Fechten dieser Zeit sehr förderte und beeinflusste. Die fechtenden Bürger und Angehörige der verschiedensten waren in dieser Zeit die finanzielle Grundlage der freien Fechtmeister. Die bekanntesten Fechtpublizisten und Fechtmeister waren Andre Pauernfeindt mit seiner Schrift "Ergründung ritterlicher kunst des fechtens durch freyfechter czu Vien" in der erstmalig der Dusack (hier Düseck) erwähnt wird, Paul Hector Maier mit einer zweibändigen Handschrift, die einen Überblick über die damalige Fechtweise gibt, Joachim Meyer aus Straßburg und sein Nachfolger Jakob Sutor, mit seiner "New künstlichen Fechtschule". Meyer und Sutor lehrten bereits das Fechten mit dem Rappier, dem zweischneidigen Stichschwert, das im deutschen Raum dann Degen genannt wird.

In Jena unterrichtete und lebte über zweihundert Jahre die Fechtmeisterdynastie Kreussler, die hohes Ansehen genoss und über ein beachtliches Können verfügte, jedoch wenig publizistisch tätig war. Diese eigene Entwicklung der deutschen Fechtkunst (Dusack, halbe und lange Stange, Bidenhander usw.) verlor sich gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts, als der Einfluß der italienischen und besonders der französischen Schule immer stärker wurde und schließlich das bodenständige Fechten verdrängte.

Das Zeitalter Camillo Aggrippa

In Italien lebte um 1550 ein hochintelligenter Mann, von Beruf Baumeister, Mathematiker und Fechtmeister. Sein Name war Camillo Aggrippa. Er legte seine Grundsätze in dem Werk "Trattato di scientia d'arme" dar und begründete damit eine neue Fase des Fechtens.

Er verzichtete auf das "Primat des Hiebes" und wandte sich vollständig von den bizarren Auslagen ab. Er begründete ein logisches Auslagensystem, das von der Prim über die Second, Terz und Quart direkt in das heutige Fechten führte. Ebenso erkannte er, dass begrenzte Bewegungen und der Ausfall die wirksamsten Mittel zur Führung eines Fechtkampfes seien. Das Fechtbuch Camillo Aggrippas, dessen Abbildungen von Michelangelo Buonarotte gezeichnet wurden, hatte eine ungeheure Wirkung und war richtungsweisend für die europäische Fechtkunst.

Camillo Aggrippas Nachfolger Giacno di Grassi lehrte bereits die Klingenparade und Angelo Viggiani da Montone Bolognese unterrichtet Schritte und Ausfälle und sieben Garden, die er in offensive und defensive einteilte.

In Koppenhagen wirkte um 1600 Salvatore Fabris, der eine ganz moderne Fechtweise lehrte und Begriffe wie Mensureinteilung, Klingeneinteilung, Klingenparade, Kavation und Kontrakavation in seiner 1606 erschienen Schrift "Science e practica d'arme" erklärte. Bei ihm war das Schwert endgültig zum Degen geworden, da er den Stich vor den Hieb stellte. Am Ende des siebzehnten Jahrhunderts teilte sich die italienische Schule in eine nördliche und eine südliche Richtung, doch war die Lehre Camillo Aggrippa, der Hieb, durch den Stich fast vollkommen verdrängt worden. Es wurde fast ausschließlich mit dem Fechtdegen und dem Fleuret, einer französchischen Form des Degens gefochten.

Die Handgelenksära

Mit der zunehmenden Bedeutung des osmanischen Reiches und seiner Eroberungskriege nach dem Westen, kam auch unser Kulturkreis mit dem Krummschwert, dem Seymitar, in Berührung. Noch ein Umstand begünstigte den Einfluss dieser Waffe. Das Heer des fünfzehnten Jahrhunderts unterschied sich in wesentlichen Punkten von dem des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts.

Die schwergepanzerte Feudalreiterei hatte sich aufgelöst - aus ihr war die Infanterie, schwere Reiterei, leichte Reiterei, Feldartillerie und dergleichen geworden. Hier bot sich der Seymitar als ideale Hauptwaffe der Reiterei, ja des Heeres überhaupt an. Obwohl diese Entwicklung langsam vor sich ging, hatte zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts der schwere Säbel den leichteren Degen als Heereswaffe verdrängt. Letzter blieb Waffe der Offiziere und des Adels.

In Italien und Frankreich war durch die bodenständige Fechtart mit Spada und Fleuret der Einfluss des Säbel- und Schlägerfechtens nicht so gewaltig wie in Deutschland, wo das ganze neuzehnte Jahrhundert eifrig mit dem schweren Säbel gefochten wurde.

Die Hiebe wurden hauptsächlich aus dem Handgelenk geschlagen. Sie waren groß und unbegrenzt. Die Mensur war genau festgelegt und durfte nicht verlassen werden. Auf die wirksamste Aktion gegen einen unkontrollierten Angriff, den Stich ins Tempo oder den Stich als Angriffsaktion, wurde ganz verzichtet. Einen Stich zu führen war streng verboten und galt als unehrenhaft. Das Stichfechten fristete zu dieser Zeit in Deutschland und Österreich ein kümmerliches Dasein, obwohl hervorragende Meister wie Gustav Hergsell, der nach französischem Vorbild unterrichtete, die Stichfechtkunst weiter pflegten.

Der Radaellismus

Ende des neunzehnten Jahrhunderts, als der Konkurrenzkampf der beiden italienischen Stichfechtschulen seinen Höhepunkt erreicht hatte und die einzelnen Lehrmeinungen immer divergierender wurden, versuchte man durch Gründung einer Fechtschule in Mailand der "scuola magistrale" das für das Militär wichtige Hiebfechten zu vereinheitlichen. An dieser Fechtschule wirkte ein genialer Mann, welcher der folgenden Epoche den Namen geben sollte - Guiseppe Radaelli.

Er erkannte und forderte in seinem Werk "Istruzione per la scherma di sciabola e di spada", dass auch Hiebfechten die freie Mensur haben muss und ein wirksames Fechten auf den Stich nicht verzichten kann. Das bisher verwendete Fechtgerät, den Schweren Säbel oder Schläger sah er als unbrauchbar an, den Hieb kurz und ohne Aufschwung zu führen.

Er veränderte den Säbel derart, dass daraus im wesentlichen der heutige Sportsäbel, der leichte italienische Säbel wurde. In Österreich und Deutschland hielt sich das deutsche Säbelfechten der Handgelenksära noch bis zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, doch anlässlich eines internationalen Turniers in Budapest, wo es zu derben Schlägereien kam, war auch diese Ära überwunden und der italienische Säbel setzte sich endgültig durch.

Berühmte Meister wie Barbasetti, Santelli, Tagliabo und andere verbreiteten die italienische Fechtweise in ganz Europa, sowohl mit dem Säbel als auch mit dem Florett. Mit dem Wirken Barbasettis in Wien und der Gründung der Akademie der Fechtkunst, war in Österreich der Übergang zur modernen italienischen Florett- und Säbeltechnik getan.

Auch ist die Gründung vieler Fechtklubs ab Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in Mitteleuropa auf den italienischen Einfluss zurückzuführen (Fechtclub Hannover 1862, Steiermärkischer Landesfechtclub in Graz 1876, Prager Fechtsociete 1878, Fechtklub Haudegen in Wien 1880). Ebenso gelang dem Fechten der Frauen mit dem Florett am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts der Schritt von der gymnastischen Übung zum Kampfsport. Das erst Frauenflorett-Turnier fand im Jahre 1911 in Dresden statt. Mit der Gründung der Federation internationale d'escrime (FIE) am 29. November 1913 begann die bis heute anhaltende Ära des modernen Fechtsportes.